In Ergänzung zur letzten Botschaft: Für Frauen scheint es einfacher als für Männer, eine neue Identität zu finden. Wie finden Männer ihre Authentizität, wenn ihre Rolle als Beschützer und Versorger wegfällt?

Bei Frauen wie Männern geht es darum, in den beiden Hauptlebensbereichen Beziehung und Arbeitswelt, die von der Gesellschaft positionierte Rolle in die jeweilige Gegenseite hineinzuentwickeln. Wenn sich beide in der Mitte treffen, stehen sich nicht mehr die Rollen Frau/Mann, sondern zwei Menschen gegenüber. Nicht im Sinne von Gleichheit, sondern im Sinne der Gleichwertigkeit. Die Wegrichtung und Herausforderungen in diesem Prozess sind jedoch sehr unterschiedlich.  

Die Emanzipation der Frauen dauert schon viele Jahrzehnte an. Jeder Schritt jeder Generation hat der nächsten einen neuen Bereich zur Arbeitswelt und Gesellschaft ermöglicht. Jede Generation hat das Beziehungsgeflecht und die Abhängigkeit im Bereich der Beziehung in der Folge etwas mehr befreit. Die Rolle der Frau hat sich dadurch verändert und die Gesellschaft viele Veränderungen akzeptiert. Auch wenn noch nicht alles im Gleichgewicht ist, so stehen den Frauen bisherige Männerdomänen wie Arbeit, Politik und Führung nun offen.  

Die Emanzipation der Männer ist neu, kann also nicht zurückgreifen auf frühere Generationen und deren Vorarbeit. Sie wird unterstützt durch die Diskussion in der Gesellschaft um die Diversität der Geschlechter. Doch dies kann nicht die starke Kraft von Generationen ersetzten. Vielmehr werden diese Strömungen als inspirierende Möglichkeiten und Freiheit wahrgenommen, verfügen jedoch über keine wegweisende Struktur, wie dies bei den Frauen war und ist.  

Es ist daher nur natürlich, dass die Veränderung der männlichen Rollen langsamer voranschreitet. Aber auch die Richtung des Prozesses ist eine gegensätzliche. Die Frauen haben sich dem «Aussen» zugewandt und sich Rollen in der Gesellschaft «erkämpft». Die Männer hingegen werden aufgefordert, sich nach «Innen» zu wenden und gesellschaftliches Statusdenken vermehrt «loszulassen». Etwas schwarz-weiss und übertrieben gemalt, aber auf den Punkt gebracht, könnte man sagen: Die Frauen erkämpfen sich mehr Macht, die Männer lernen sie loszulassen.

Wenn der «moderne» Mann sich neu erfindet und finden will, beginnt die Suche im Innern. Was macht ihm Freude und welche Kontakte erfüllen ihn, und weshalb, unabhängig von Gemeinsamkeiten wie der Arbeit. In diesen privaten Bereichen kann durch das Zulassen von Emotionen, Zweifeln und Unsicherheit ein neues soziales Selbstvertrauen wachsen. Echte Freundschaften, die nicht nur auf das «bestätigende Tun», sondern auf die «Tiefe des Seins» ausgerichtet sind, führen aus der alten Rolle heraus. Mit wachsender Sicherheit erwächst ein neues Selbstverständnis und dadurch der Mut und die Kraft, auch die äussere Rolle zu verändern.

Allerdings gibt es einen Bereich, den Männer sorgsam beachten und vermeiden sollten. Nämlich den Vorstellungen und Erwartungen der Frauen zu entsprechen. Die Selbstfindung hat nichts zu tun mit einer neuen vorgeschriebenen Rolle. Die Neufindung der Frau wird von ihr selbst gestaltet, nicht nach der Wunschliste ihres Partners. Ebenso verhält es sich bei der Neufindung des Mannes. Neufindung bedeutet, sich inspirieren zu lassen, zu träumen, sich selbst neugierig zu erforschen, getragen vom Gedanken, dass ihr zu dem Menschen werden könnt, der ihr sein wollt.

In einer «modernen» Partnerschaft tragen beide Verantwortung, beschützen beide einander und leben doch ihre Eigenständigkeit. Frau wie Mann werden zum liebenden Menschen, verbindlich und doch nicht abhängig. Das neue «Wir» misst sich nicht mehr an Jahren des Zusammenseins, sondern an der Realität dessen, was sich authentisch und frei verbindet.

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Kommentare

Kommentar von Gabriela-Maria Berchtold |

Danke für diese Antwort, echnatiel. Für den hellen Stern der für uns ALLE leuchtet. G-m

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